Marktsituation im Handel 2022

Wenig Nachfrage, sinkende Umsätze, zu viel Ware – Schilderungen zur aktuellen Marktsituation und damit einhergehende Herausforderungen – November 2022

Die aktuelle Zeit ist besonders, das spüren wir an allen Ecken und Enden. Als Gesellschaft stehen wir vor Herausforderungen, die wir in dieser Form und Abfolge so noch nicht kannten. Für Avocadostore und unsere Händler:innen sind die Herausforderungen vor allem wirtschaftlicher Natur und damit auch existenzieller – die Warenlager sind voll und fast alle Händler:innen sowie Marken leiden unter sehr starken Umsatzeinbrüchen. Mit diesem Beitrag möchten wir Hintergründe sichtbar machen und einen Einblick geben, wie die Marktsituation unsere Branche fordert.

Als Marktplatz bündelt Avocadostore das vielfältige Angebot von unterschiedlichen Händler:innen auf einer Plattform. Einige Produkte werden direkt durch uns verkauft und versendet, wir agieren also auch selbst auf dem Marktplatz als Händler. Die folgenden Ausführungen beziehen sich in erster Linie auf unsere Situation, sprich auf die Ware, die wir selbst verkaufen. Sie lassen sich aber auf den gesamten Markt bzw. auf viele unserer Händler:innen übertragen.

Gründe für den Warenüberschuss

  • Seit einigen Monaten sinkt die Konsumlaune der Menschen immer stärker. Laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat diese gerade ein Rekordtief erreicht. (November 2022)
  • Die herrschende Unsicherheit, die schwachen Konjunkturerwartungen, die steigenden Energiekosten und der durch die Inflation einhergehende Anstieg unserer Lebenshaltungskosten führen also dazu, dass weniger konsumiert wird.
  • Auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie spielen weiterhin eine Rolle: In den vergangenen zwei Jahren beeinflussten insbesondere Corona-Maßnahmen die Nachfrage im Online-Geschäft positiv. Auf Basis dieser guten Entwicklung wurden Waren für das Jahr 2022 eingekauft. (Der Einkaufsprozess findet ca. sechs Monate vor Wareneingang statt)
  • Die Nachfrage ist jedoch seit Beginn des Jahres deutlich geringer als prognostiziert.
  • Auch die als Folge der Pandemie entstandene Lieferketten-Problematik hat das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage im ersten Halbjahr zusätzlich verstärkt. Denn aufgrund von Lieferverzögerungen befand sich zum falschen Zeitpunkt zu viel (saisonale Ware) in unseren Lagern. Ein Beispiel: Die Übergangsjacken wurden erst geliefert, als der Frühsommer schon in den Startlöchern stand. Zu diesem Zeitpunkt bestand aber keine Nachfrage mehr.

Daraus resultierende Maßnahme

Dass am Ende einer Saison etwas Ware übrig bleibt, ist nicht ungewöhnlich. Bei der Auswahl unseres Sortiments müssen wir die Wünsche unserer Kund:innen antizipieren – das klappt meistens gut, doch unsere Annahmen treffen nicht immer vollständig zu. Auch externe Faktoren wie das Wetter lassen sich schlichtweg nicht einkalkulieren (ein verregneter Frühsommer sorgt z. B. für eine geringere Nachfrage bei Sommerkleidern). Zudem finden vereinzelnde Restgrößen keine Abnehmer:innen.

In diesem Jahr haben wir aufgrund der beschriebenen Gründe jedoch ungewöhnlich viel Ware, die keine Abnehmer:innen findet und nun als gebundenes Kapital im Lager liegt. Das ist problematisch für uns. Denn zum einen verkauft sich saisonale Ware in der Folgesaison erfahrungsgemäß schwieriger und langsamer, zum anderen wird das Geld sowie der Platz im Lager für Neuware benötigt, damit das Geschäft gut weiterlaufen kann.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, spielen wir dieses Jahr mehr Sale-Aktionen als üblich. Schon jetzt – noch bevor der Winter richtig gestartet hat – werden wir bereits einige Teile der aktuellen Herbst-Winter-Kollektionen reduzieren. Wir erhoffen uns dabei, dass die Reduzierungen zum Abverkauf von mehr Ware führt. Zudem bietet der Sale unseren Kund:innen die Chance, ein neues Lieblingsteil zu einem Spitzenpreis zu ergattern. Ein toller Nebeneffekt: Mit deinem Kauf unterstützt du nachhaltig agierende Unternehmen, die gerade wirtschaftlich ziemlich brenzlige Zeiten durchmachen.

Vereinbarkeit von Sale und nachhaltigem Konsum

Fast-Fashion-Kollektionen, die im Wochen- oder Monatsrhythmus auf den Markt geworfen werden, um sie teils direkt als Sale-Artikel anzubieten, treten jegliche Wertschätzung gegenüber der aufgewendeten Arbeit und Ressourcen mit Füßen. Auch Marketingaktionen, die darauf ausgelegt sind, kurzfristigen Konsum zu triggern (Stichwort Impulskäufe) sind ebenso wenig mit unserer Vorstellung von nachhaltigem Handel vereinbar.

Finden Sale-Aktionen aber zu vernünftigen Rahmenbedingungen und in einem begründeten Maße – also im Sinne von nachhaltigem Unternehmenssinn und ethischem Konsum – statt, haben Sale-Aktionen (ebenso im Fair Fashion Kontext) ihre Berechtigung. Denn auch nachhaltige Unternehmen wie wir oder unsere Händler:innen und Marken müssen wirtschaftliche Gesichtspunkte im Blick behalten. Nur so lässt sich die (Mode-)Welt langfristig und nachhaltig zum Besseren verändern.

Darüber hinaus ermöglichen Sale-Aktionen mehr Menschen den Zugang zu ökologisch und fair produzierter Kleidung. Nicht zuletzt kann faire Mode zum reduzierten Preis auch ein guter Start in die persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit sein. Der Gedanke, so noch mehr Menschen mit Nachhaltigkeitsbewusstsein zu erreichen und diese als Boftschafter:innen für einen Green Lifestyle zu begeistern, gefällt uns ziemlich gut.

Eine Bitte

Falls auch du dich von Eco Fashion und dem schönen Gefühl, besser eingekauft zu haben, überzeugen willst, hätten wir da noch eine Bitte: Bevor du etwas bestellst, solltest du dich immer fragen, ob du es wirklich benötigst. Denn mit jeder bewussten Entscheidung machst du einen Unterschied und tust der Umwelt sowie dir etwas Gutes.