„NACHHALTIGES BANKING – DEIN GELD, DEIN IMPACT!“

Wir kaufen fairen Kaffee, wollen genau wissen, wie und mit welchen Materialien unsere Klamotten hergestellt sind und entscheiden uns, möglichst plastikfrei leben zu wollen. Kunden überlegen sich heutzutage bewusst, welche Marken und Projekte sie mit ihrem Geld unterstützen und welche ökologischen und sozialen Auswirkungen das hat. Aber wie nachhaltig ist unsere Bank und was passiert mit unserem Vermögen, das wir auf dem Konto parkt? Die wenigsten haben sich bislang Gedanken darüber gemacht.

„Unser Geld finanziert dezidiert nur Dinge, die einen positiven Wandel ermöglichen“, das ist das Versprechen, das Tomorrow seinen Kunden gibt. Aber was heißt das? Für Jakob Berndt, einer der drei Gründer, ist Tomorrow mehr als ein smarte Kontolösung, er sieht seine Firma eher als Bewegung und Plattform denn als Bank. Was das bedeutet und wie die Tomorrow-Crew gerade die Bankenbranche herausfordert, darüber haben wir mit ihm gesprochen. Noch ist das Thema „krass Nische“, wie Jakob sagt, aber das wird sich hoffentlich bald ändern.

Was bekomme ich bei euch und was kann ich damit machen?

Ein konsequent nachhaltiges Konto, optimiert fürs Smartphone. Wir bieten ein digitales mobiles Produkt, das ganz einfach zu handhaben ist. Bei uns kann man in zehn Minuten ein Girokonto eröffnen und dann all das machen, was man auch bei anderen Banken kann: überweisen, Daueraufträge einrichten, Geld abheben etc. Außer einem kurzen Videochat gibt es keine formalen Hürden, jeder kann mitmachen. Dazu kommt dann noch das Plus des Mobile-Bankings: Ich kann ein digitales Haushaltsbuch führen, mir Übersichten zu Ausgaben und Einnahmen abrufen, meine Ausgaben in Kategorien einteilen, direkt am Handy die Pin ändern oder meine Karte sperren – all das, was früher bei der Bank immer mühsam war. Oft genug hängt man in der Warteschleife oder muss erst mal einen Termin beim Kundenberater ausmachen. Zusätzlich bekommt man eine Mastercard, mit der man überall bezahlen, Geld abheben und online shoppen kann – aber schneller, digitaler UND nachhaltig! Am Ende des Tages sind wir ein mobiles Girokonto mit den technischen Vorteilen des Mobile-Bankings – und dem Versprechen: Unser Geld finanziert dezidiert nur Dinge, die einen positiven Wandel ermöglichen. Damit sind wir bislang die einzigen. Unser Impact-Strategieprozess entfaltet sich in zwei Richtungen. Auf der einen Seite haben wir eine Negativ-Liste definiert mit all den Dingen, von denen wir wissen, dass sie unseren Planeten eher herunterwirtschaften, als dass sie zukunftsfähig sind – z.B. Nuklearenergie, Rüstung, Massentierhaltung und Kohlekraft. Auf der anderen Seite gibt es eine nicht minder lange Positivliste beispielsweise mit Biolandwirtschaft, Elektromobilität, regenerativer Energie und grünem Wohnen. Das Geld der Kunden wird diesen Bereichen zugeführt. Unser Motto ist: Dein Geld, dein Impact! Geld hat eine Wirkung und konventionelle Banken richten damit ganz, sorry für den Ausdruck, schön viel Scheiß an, weil man damit eben eine gute Rendite machen kann. Wir versprechen unserer Community, davon die Finger zu lassen.

Wie sieht es dann aber mit der finanziellen Rendite aus?

Für viele Leute mag das erstaunlich klingen, aber: Die Rendite muss gar nicht schlechter sein. Es gibt große erstzunehmende Metastudien, die zeigen, dass Investments in nachhaltige Branchen perspektivisch nicht renditeschwächer sind als im konventionellen Bereich. Deswegen bewegt sich der Markt ganz langsam da hin. Jahrzehntelang konnte man zu Ungunsten von Wirtschaft und Sozialem agieren, und das hat dem Geschäftsmodell und -erfolg nicht geschadet. Aber peu a peu findet eine Veränderung statt. Auf lange Sicht werden Unternehmen gesünder und ökonomisch erfolgreicher sein, wenn sie diese Faktoren berücksichtigen. Nur weil man sein Geld in gute Branchen investiert, heißt das nicht, dass man am Ende nicht trotzdem Gewinne erzielen kann.

Jakob Berndt ist einer der drei Gründer von Tomorrow

Wer wählt aus, wo das Geld von euren Kunden investiert wird?

Wir haben einen mehrschrittigen Nachhaltigkeitsprozess entwickelt. Im ersten Schritt lenken wir unser Geld nur dorthin, wo ein aktiver Beitrag zu den 17 Sustainable Developement Goals der Vereinten Nationen geleistet wird. Die UN hat die großen Herausforderungen der Menschheit definiert und mit Zielen hinterlegt wie beispielsweise zero poverty und gender equality. Das bietet uns einen guten Rahmen, weil dadurch Nachhaltigkeit messbarer und quantifizierbarer wird. Als nächstes gibt es eine Art Blacklist. Das heißt, selbst wenn ein Unternehmen in den nach der ersten Prüfung super dasteht, aber aus einer Branche kommt, die auf unserer Negativliste steht, werden wir dort kein Geld anlegen. Sprich, wenn die Firma Streubomben herstellt und das zwar nur mit Solarenergie und mit 70% Frauen im Management, dann ist sie dennoch raus. Als Letztes entscheidet dann ein externer Beirat, welche Unternehmungen weiter geprüft werden sollen. Darauf folgt dann die gleiche kaufmännische Risikoprüfung, die auch andere Banken vornehmen. Der Unterschied ist: Wir schalten vor das eigentliche Bankengeschäft den beschriebenen ökologisch und sozialen Auswahlprozess. Ein Beispiel: Das populärstes Finanzprodukt Deutschlands ist der DWS-Top-DividendeFonds; 17 Milliarden Euro schwer, seit 15 Jahren am Markt. Ich habe mal in den letzten Halbjahresbericht geschaut. Wo fließt das Geld hin? BAE Systems (einer der größten Rüstungskonzerne), Shell, Nestle, Philipp Morris und so weiter. Das spiegelt leider den Standard wider. Wenn man zu einer konventionellen Bank geht und sagt, man möchte einen nachhaltigen Fonds, dann sind da in den meisten Fällen trotzdem Firmen wie Coca Cola und McDonalds drin. Die Branche tickt nach gänzlich anderen Parametern. Rendite first – und dann gar nichts.

Welchen Background habt ihr drei Gründer und was bringt ihr mit, was eure Idee unterstützt?

Wir kommen alle nicht aus dem Banking, aber wir bringen unterschiedliche Kompetenzen mit, die unsere Vision vorantreiben. Mit dem Set-up sind wir gut aufgestellt für unser Vorhaben. Inas hat in den letzten zehn Jahren ein großes Softwareunternehmen in Ägypten aufgebaut. Mit seinem Unternehmen hat er die Wertstoffketten in der Landwirtschaft- und Lebensmittelindustrie durchleuchten lassen und Kleinbauern unterstützt. Er bringt ein sehr hohes Maß an Technologie-Know-how für das digitale Girokonto mit – und befasst sich mit alle Herausforderungen, die da dranhängen. Michael kommt aus der Unternehmensberatung und hat als Finanzchef für ein Berliner Start-up gearbeitet. Zuletzt hat er erfolgreich eine Jobplattform für Geflüchtete aufgebaut. Er ist von uns dreien derjenige, der auf jeden Fall die höchste Zahlenkompetenz mitbringt. Noch sind wir formal gesehen ein Finanzdienstleister und bieten ein mobiles Girokonto an – und sind keine Bank. So dürfen wir uns gar nicht nennen. Das Kernbankensystem kaufen wir uns noch von der Solaris Bank ein. Wir konzentrieren uns auf die App. Nach vorne bauen wir eine Marke auf und versuchen, möglichst viele Leute für unsere Idee zu gewinnen und nach hinten raus, widmen wir uns der Frage „Was passiert mit meinem Geld?“, garantieren also eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie. Aber was dazwischen sitzt – Konten halten, Kernbankensystem usw. – das kaufen wir ein. Und das wäre vor zehn Jahren so höchstwahrscheinlich noch nicht möglich gewesen. Ich selbst habe wenig Technologie- und Finanzenwissen, kenne mich aber ganz gut aus mit Kommunikation. Das Thema nachhaltige Finanzen ist noch wenig im Bewusstsein der Menschen verankert. Viel zu wenige Leute wissen, dass Geld eine soziale und ökologische Wirkung hat und noch viel weniger Menschen haben bislang aus diesem Wissen eine Konsequenz folgen lassen. Es gibt in Deutschland mehr als hundert Millionen Konten und nicht mal eine halbe Millionen Kontobesitzer sind bei einer nachhaltigen Bank. Das ist weniger als ein Prozent, also noch so richtig Nische. Um das zu ändern, braucht es eine andere Form von Darreichung. Damit habe ich mich bei Lemonaid in den letzten Jahren intensiv beschäftigt, allerdings mit dem Fokus auf Landwirtschaft und fairen Handel. Wie kann man das Thema aus der Reformhausecke rausholen und mit der Lebenswelt der Leute verknüpfen? Vergleichbare Herausforderungen stehen jetzt auch mit Tomorrow an.

Wie leicht gehen die Türen auf in der Finanzwelt? Ich habe immer noch die Assoziation, dass diese Branche ein Closed Shop ist.

Der Markt hat sich nicht nur geöffnet, sondern es gibt heute Akteure, die einem die Hand reichen. Beispielsweise eben die Solaris Bank, die sich dezidiert damit positioniert, dass sie Start-ups im Banking-Kontext unterstützen und ihnen einen Teil der komplexen Dinge abnehmen. Die neuen Unternehmen können sich dann auf ihr Technologieprodukt, ihre Kundenansprache und ihre Philosophie konzentrieren. Und ja, die Finanzwelt ist immer noch ein Closed Shop, aber es öffnen sich auch immer mehr Türen. Das hat viel mit der Digitalisierung zu tun. Man muss nicht mehr alles selbst machen, sondern kann sich viel eher als Plattform definieren und entscheiden, was man anbieten möchte. Wir haben für uns eine klare Position gefunden: Wir geben unseren Kunden das Versprechen, dass ihr Geld einen positiven Wandel unterstützt. Darauf konzentrieren wir uns. Themen wie Kernbankensystem und Kreditvergabe können wir uns vorerst einkaufen bei Akteuren, die unseren Wertekatalog erfüllen. Aber natürlich wird einem auch mit Argwohn begegnet, wenn man als Novize diesen Markt entert. Die etablierten Banken betrachten die Entwicklung im Fintech-Bereich mit Sorge. Die neuen Akteure sind schneller und agiler und wirbeln die Bankenlandschaft gehörig auf. Aber was wirklich noch ein totales Exotentum ist: Wir bringen nicht nur eine digitale Lösung an den Start, sondern unser Motiv ist die soziale Veränderung – etwas, was man vielleicht noch mit der GLS-Bank in Verbindung bringt. Trotzdem kann damit bislang so gut wie keiner etwas anfangen in dieser Branche. „Was, ihr seid nicht nur auf Rendite aus?“, „Das geht?“ – das sind meist die ersten Fragen und Annahmen, die uns begegnen. Wenn man dagegen aus unserer Welt kommt, also einem Kontext, der sich mit nachhaltigen, sozialen und ökologischen Alternativen auseinandersetzt, dann hat man Erfahrung damit, dass Menschen ihr Konsumverhalten hinterfragen und anpassen. Da ist der nächste logische Schritt zu sagen: Ich möchte nicht bei einer Schweinebank sein, sondern auch meine Finanzströme nachhaltig regeln. Aber für die Banken-Branche selbst ist das eher so: Krass, da haben wir noch gar nicht drüber nachgedacht.

Was ist eure Perspektive? Wo seht ihr euch in fünf Jahren?

Ob wir wirklich Bank sein wollen, gilt es wiederkehrend zu prüfen. Vielleicht sind wir auch langfristig vor allem gut darin, die Leute für das Thema zu begeistern und das Girokonto mit einem streng kuratierten Nachhaltigkeitsprozess zu verbinden. Wir müssen das Bankengeschäft selbst nicht zwingend abwickeln. Schauen wir fünf Jahre in die Zukunft, halten wir ein Potenzial von einer Millionen Kunden für machbar. Das ist zwar ganz schön wagemutig – weil zurzeit in Deutschland gerade mal 400.000 Kunden bei einer nachhaltigen Bank sind –, aber der Markt verändert sich massiv. Wir denken, die Zeit ist reif für einen Wandel. Wirklich viele Leute sagen: Meine Bank hat eh schon lange nichts mehr mit mir zu tun. Ihr Ethos hat nichts mit mir zu tun, das Filialsystem ist veraltet, und ich nutze es überhaupt nicht, die Ansprache, also die Art und Weise, wie die mit mir sprechen, passt nicht zu mir. Was soll ich bei meiner Bank? Wir wollen unsere Kunden nicht von der GLS, Umweltbank oder von der Ethikbank abwerben – die sind super. Aber wir glauben, dass wir mit dem Thema nachhaltiges Banking noch viel mehr Menschen erreichen können. Und dafür braucht es neue Wege der Ansprache, der Darreichung und des Dialogs.

Mir scheint die Schwelle, etwas Neues auszuprobieren, beim Thema Banking größer zu sein, als z.B. einen anderen Öko-Kaffee zu kaufen. Wie sicher ist mein Geld bei euch?

Das werden wir total oft gefragt, aber die Antwort ist ganz leicht: Genauso sicher wie bei jeder anderen Bank. Es gibt einen europäischen Sicherungsfonds, der deckt jedes Privatkonto mit 100.000 Euro – egal bei welcher Bank. Das ist staatlich reguliert, selbst wenn wir Tomorrow an die Wand fahren würden. Das Mobile-Banking bringt aber auch noch eine andere Komponente mit: Man ist viel näher dran, hat mehr Kontrolle, einen differenzierteren Einblick, den man selbst gestalten kann, und die Prozesse sind transparenter. Perspektivisch werden wir viele kleine schlaue Features anbieten, die sich übers Handy leicht an- und ausstellen lassen. Unsere Kunden können z.B. einstellen, ob sie bestimmte Beträge aufrunden möchten, um das Geld dann beiseite zulegen, zu investieren, zu sparen oder zu spenden. Wir planen, eine Art Nachhaltigkeits-Tracker anzubieten, der auflistet, wie viel der Ausgaben für nachhaltige Zwecke verwendet wurden. Schon zum Start bieten wir neben dem digitalen Haushaltsbuch auch ein „Impact Board, einen Bereich, in dem ich in Echtzeit die Wirkung meines Geldes einsehen kann und Infos zu den Unternehmen und Projekten bekommen, die von Tomorrow unterstützt werden.

Euer Produkt entwickelt ihr gemeinsam mit einer Community. Das ist ungewöhnlich für eine Bank.

Das stimmt, das ist äußerst exotisch im Bankenbereich. Genau mit diesem Paradigma wollen wir brechen, deshalb haben wir von Anfang an den Entwicklungsprozess mit einer Community geteilt und vorangetrieben. Alles fängt mit einer Haltung an: Wir wollen das mit euch zusammen machen. Wir sind interessiert an euren Ideen und eurer Welt. Bei uns kann man im Maschinenraum den Projektplan einsehen und weiß dann genau, woran wir gerade arbeiten. Wir legen das alles offen – natürlich auch für die Konkurrenz. Wir wollen, dass unsere Nutzer uns Anregungen geben, Features kritisch begutachten, Kommentare hinterlassen – spricht: mit uns in den Dialog treten. Wie stellt ihr euch das vor? Worüber möchtet ihr mitbestimmen? Welches Preismodell passt für uns? Das ist ein deutlicher Mehraufwand für uns, aber wir haben auch einen enorm großen Erkenntnisgewinn. Wir merken, dass die Leute das feiern. Das hat ein hohes Identifikationspotenzial. Der Hebel ist so massiv. Es gibt den Irrglaube, dass man denkt: „Ich habe zu wenig Geld, um etwas zu bewirken.“ Aber selbst wen es nur ein paar Hundert Euro sind: Das Geld arbeitet immer, und die Frage ist: Woran? Das zu entscheiden, liegt an uns. Jeder 20-30 Jährige hat statistisch im Durchschnitt 20.000 Euro zur Verfügung – bei 1000 Leuten sind das schon 20 Millionen. Ich sehe Tomorrow eher als Bewegung denn als Bank. Wir setzen ein Statement und wenden uns von den konventionellen Banken ab: Ihr bekommt unser Geld nicht mehr. Und vielleicht müssen die dann irgendwann ihr Geschäftsmodell überdenken.